0038 Ludwigsburg Salon

aus der Warte des Tempels Mai 2016

Walcker-Orgel für den Salon

Wer den Auftrag für den Orgelneubau gab, ist nicht bekannt, der Eintrag imWalckerschen Opusbuch vom 1. November 1841 lässt eine Beauftragung durch einen oder beide Gebr. Paulus vermuten:
»Rechnung des Orgelbauers E. F. Walcker über [die] Fertigung einer neuen Orgel von 6 Reg.[istern] Für die wissenschaftliche Bildungs Anstalt der Hl. [Hochlöblichen] Gebr. Paulus auf dem Salon b[ei] Ludwigsburg«. 1840 bestellt und ausgeliefert besaß das als opus 38 eingetragene Instrument fünf klingende Stimmen (Registern), verteilt auf einem Manual (Klaviatur) und Pedal.
Es ist mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, dass dieses kleine Instrument - Walcker baute in unmittelbarer zeitlicher Umgebung große Werke, darunter 1839 eine neue Orgel für die Stiftskirche Stuttgart - eine Art Versuchsorgel darstellte.

Getrieben von der Unzufriedenheit mit den herkömmlichen technischen Gegebenheiten im Orgelbau und auf der dringenden Suche nach einem System, das auch unter klimatisch schwierigen Bedingungen funktioniert - Walcker hatte bereits vor 1840 schlechte Erfahrungen mit Orgelneubauten in Regionen mit nordisch-feuchtem Klima wie z.B. in St. Pe-tersburg gemacht - experimentierte er beim Instru ment für den Salon mit neuen Lösungen für dieses Problem.

In direkter Nähe zur Werkstatt konnten dabei »Kinderkrankheiten« des neuen Systems leicht und unkompliziert behoben werden. Dass dies notwendig war, berichtet Orgelbauer F. H. Lütkemüller aus Wittstock, welcher damals bei Wal-cker Prokura hatte, 1879 in der Orgel-bauzeitung darüber: »Der Unterzeich-ner war in den Jahren 1837-1843 bei E. F. Walcker in Ludwigsburg und hat die sogenannte Erfindungsperiode der Kegellade durchgemacht. Da sich indessen diese neue Konstruktion nicht als haltbar erwies, wurde ich von Herrn Walcker beauftragt, Verbesserungen durchzuführen, was ich eigenhändig ausgeführt.« Die neuerworbenen Kenntnisse und Erfahrungen am Instrument auf dem Salon verhalfen dieser Neuerung und damit der Orgelbaufirma Walcker ab etwa 1845 zur vorherrschenden Stellung im deutschen Orgelbau, welche bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs anhielt.

Dass Walcker den Auftraggebern vom Salon im Gegenzug entgegenkam, lässt sich an weiteren Einträgen im Walcker-schen Opusbuch nachlesen. Trotz ursprünglich errechneter Gesamtkosten von 507 f 38 schreibt Walcker: »Aus besondrer Rücksicht für die Anstalt berechnen [wir] hiermit nur die runde Summe von 500 f«.

Ob diese dann noch jemals in Gänze bezahlt wurde, ist nicht bekannt, im Opusbuch sind lediglich zwei Zahlungen vermerkt, die nicht die gesamte Summe belegen.

Im Jahre 1858 wurde die Orgel in öffentlichen Blättern zum Kauf ausgeschrieben, da sie auf dem Salon entbehrlich geworden war. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bildungsanstalt mit nur einem Schüler ihren Tiefpunkt erreicht, was sich erst mit Wilhelm Paulus als neuem Leiter 1859 verbesserte. Vielleicht sollte der Verkauf der Orgel die wirtschaftliche Situation lindern.

Zum Ende des Jahres 1858 erwarb die Kirchengemeinde Adolzhausen die Orgel für die Kirche in ihrer Teilgemeinde Herbsthausen. Wer den Verkauf in die Wege leitete und wer den Erlös erhielt, ist unbekannt.

Dort war das Instrument seit ca. 1955 außer Gebrauch und ab etwa 1986 unspielbar. Eine Restaurierung wurde aber erst 1990 durch die Orgelbaufirma Rensch aus Lauffen am Neckar durchgeführt.

Seither legt das Instrument vom Salon am neuen Aufstellungsort in Herbsthausen, heute einem Teilort von Bad Mergentheim, wieder ein gutes Zeugnis für die hohe Kunst seines Erbauers in dessen früher Phase ab.