"organ" von Hetzel und Waldschuetz

Kunstwerk "organ" im Kunstverein Ludwigsburg

Das „organ“-Kunstprojekt von Julian Hetzel & Hannes Waldschütz im Kunstverein Ludwigsburg in der Wilhelmstraße 45 Momentaufnahmen einer verschwundenen Orgel.

zur Eröffnung am 21.03.2010
Das „organ“-Kunstprojekt von Julian Hetzel & Hannes Waldschütz im Kunstverein Ludwigsburg in der Wilhelmstraße 45
Momentaufnahmen einer verschwundenen Orgel.
Klangbild eines ungehörten Konzertes.
Vortrag eines nicht anwesenden Redners vor leeren Stühlen.
Dass Nichts nicht sein kann.
Es gibt viele weitere Titel, die man hier einstreuen könnte.
Es geht also um etwas, das nach Interpretation sucht und weniger nach Erklärung.
Unmittelbar nach dem Abriss des Walcker-Geländes reist ich nach Ludwigsburg, um mir dort den „verschwundenen Gebäudekomplex“ anzusehen, und war erschrocken und fasziniert zugleich von der völligen Auflösung dieses geschichtsträchtigen Rahmens, der meine Kindheit und Jugend fest umrissen hatte.
Wie kann etwas sein, dass das Denken, Handeln und Träumen bestimmt, das es nicht mehr gibt? Wie ist es möglich, dass die Geschichte der vielen Menschen, die hier gearbeitet und gelebt haben, weiter wirkt, obwohl kein einziger Stein des Gewesenen mehr an sie erinnert. Und ich bin mir heute auch sicher, dass dieses Bild der „verschwundenen Firma Walcker“ das heftige Assoziationen in mir hervorrief, dazu geführt hat, dass ich mich mehr und mehr und immer intensiver in deren Geschichte hineingearbeitet habe.
Das Verschwundene kann also für heftige Reaktionen sorgen und tritt anstelle der Wesenheit, so dass die Abwesenheit aufgehoben wird.
Jahre später fand ich einen weiteren Schlüssel, der mir das „Nicht-Verschwinden-können“ begreiflich machte, es war Robert Spaehmanns „nietzscheresistenter Gottesbeweis“.
Der Philosoph Spaehmann hat mir nachgewiesen, dass Wahrheit Gott voraussetzt. Er beweist dies aus dem futurum exactum, aus der Grammatik also, was wohl Nietzsche geahnt haben mochte, als er in „Menschliches Allzumenschliches“ schrieb: Ich fürchte wir werden Gott nicht mehr los, weil wir noch an die Grammatik glauben.
Was so kompliziert aussieht, ist recht einfach zu erklären: Wenn wir sagen, jetzt findet ein schöner Sonnenuntergang statt, dann sagen wir gleichzeitig, es sei in Zukunft „ein Sonnenuntergang“ gewesen.
Dass ich am Sonntag, den 21.März 2010 um 19 Uhr ein Orgelkonzert in Saarbrücken in der St. Johanneskirche gehört habe, war nicht nur an diesem einen Tag eine wahre Begebenheit, sondern es wird von diesem Zeitpunkt aus in alle Zukunft Gültigkeit haben. Dies ist der futurum exactum.
Auch in 795 Milliarden Jahren wird dieser Vorfall noch Gültigkeit haben.
Damit aber dies so stattfinden kann, was wohl die meisten Menschen, ob gläubig oder nicht, sofort so akzeptieren werden, muss es ein absolutes Bewusstsein geben, in dem diese Wahrheit bewahrt wird. Ohne dieses Bewusstsein und damit ohne diese Grammatik wiederum wäre unser Reden und Schreiben nichts weiter als „Gekreische von Raben oder Krähen“.
Zurück zu Julian Hetzel & Hannes Waldschütz im Kunstverein Ludwigsburg, will ich sagen, dass man in „organ“, der Ausstellung mit dem umfassenden Kosmosbegriff noch weiter geht im Voraussetzen von Bedingungen und Abstraktionen.
Wir fassen das Kunstwerk erst dann, wenn wir weitaus mehr in es hinein interpretieren als es vordergründig zu bieten hat.
Das ohne Klang gespielte Lied bringt uns nicht zur Verzweiflung sondern zum Verlangen nach seinem Wesen.
Die Dinge fangen dann zum Tanzen an, wenn wir ihnen ihr Lied vorspielen, und seien es Dinge im Kopf, die keiner Materie mehr bedürfen.
Das übrigens war ein Ideal der Romantiker, zu denen Nietzsche letztendlich auch gehörte.
Das Ausstellungsheft kann kostenfrei bei mir bezogen werden.