Die Wiederkehr der Proportion (I.Teil)

Die Wiederkehr der Proportion

Orgel und Heil Auf der Suche nach Harmonia

(I.Teil einer Studie von gwm)

 

Hans Henny Jahnn schrieb bereits im Jahre 1940 in einem Brief an seine Geliebte Judit Kárász[1], in dem er Zweifel an der Harmonik eines Hans Kaysers anmeldete. Später verdichtet sich in Jahnn dieser Zweifel mehr und mehr, genährt durch Studien über Insektenverhalten[2]. Umgekehrt wendet sich sein „Gegenspieler“ in Sachen Harmonik, Oscar Walcker, in einem Brief vom 12.2.1943, mitten im größten deutschen Elendskrieg, an den in die Schweiz geflüchteten Dr. Hans Kayser mit der grundsätzlichen Frage, ob Teiltonaspekte bei Orgeldispositionen durch die Harmonik geklärt werden können.[3] Kayser antwortet drei Wochen später, dass tatsächlich eine gewisse Übereinstimmung mit den Wertegewichten[4]des harmonikalen Tonsystems vorliegen, aber ein schematisches Vorgehen in solcher Beziehung nicht ratsam sei. Ohne gründlichen Einstieg in den Orgelbau könne er keine Angaben zu diesen Fragen machen, so Kayser weiter, vielleicht treffe man sich in „normalen Zeiten“ wieder, um sich über den Gegenstand auseinanderzusetzen. Leider ist es dazu nie gekommen.

Diese kleine Vorgeschichte soll mir als Einstieg dienen, die Frage nach dem Wert oder Unwert von Proportion, Maß und Zahl im Orgelbau weiter zu untersuchen. Der erste Teil befasst sich mit der geschichtlichen Entwicklung des Proportions- und Harmoniegedankens bis zum Beginn der Renaissance, weitere Teile schließen sich an bis zu der Grundfrage "inwieweit war die deutsch-romantische Orgel bis 1870 in ihrer ästhetischen Struktur an das Mittelalter bzw. an die antike pythagoräische-platonische Ideenassoziation gebunden?"  und dem Nachweis meiner Theorie, dass seit dem 17.Jahrhundert Orgeldispositionen und Pfeifengestaltungen unter harmonikalen Gesichtspunkten erfolgt sind, während im 19.Jahrhundert nach Vogler esoterische und exoterische Elemente der phytagoräischen-platonischen Lehre vermischt im Orgelbau in aller Deutlichkeit zu Tage treten, in Pfeifen-Mensuren und in der Anlage von Orgeldispositionen. Dieses recht schwierige Kapitel möchte ich abschließen mit einer gründlichen Studie der Orgelmensuren Eberhard Friedrich Walckers aus der Frankfurter Paulskirche und der Ulmer Münster-Orgel.

Die Esoterik dieser Gedanken kann auch heute nicht geoffenbart werden, sondern sie kann nur angedeutet werden, während die wichtigsten Gestaltungsprinzipien, zum Beispiel "Dispositionsgestaltung nach dem Satz des Pythagoras am rechtwinkligen Dreieck" oder "Mensurgestaltung nach der Diagonale des Quadrats"  exoterische Gedanken sind, wenn sie nicht gar reine technische Hilfsmittel zur Analyse und Neugestaltung darstellen. Die Diagonale des Quadrats z.B. hat vor einigen Jahren einen amerik. Autor derart fasziniert, dass er in der ISO umfangreiche Gestaltungen mit dieser Geometrie im heutigen Orgelbau bei Trakturen und Windanlagen nachgewiesen hat. (Quelle wird ergänzt)

Vielleicht ist es ein Symbol besonderer Art, dass von Eberhard Friedrich Walcker ein Heft von Geometriestudien vorliegt, die er wohl als 14- 18jähriger betrieben hat und indem er auf den letzten leeren Blättern seine ersten beiden Orgeln aufgeführt und beschrieben hat. Dieses Heft hat mich zutiefst fasziniert. Also auch hier spricht uns Pythagoras aus der Feder des bekannten Orgelbauers direkt an. Wie also sollte man im Orgelbau ohne den alten griechischen Esoteriker je auskommen? (Quelle wird ergänzt)

Selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass kein Orgelbauer des 18. oder 19.Jh.bewusst und kenntnisreich irgendwelchen Ästhetiken hinterhergelaufen ist, sondern, dass harmonikale Grundsätze genauso wie die daraus resultierende Geometrie im Menschen verankert sind wie Archetypen, wie Grundmuster, mit denen die Menschen über Raum und Zeit hinaus miteinander verbunden sind.

Schon lange überlegte ich mir, wie unbedarft wir doch im Orgelbau seit dem Verblassen der „Harmoniker“ und ihren Lehren vor uns hinwurschtelten, ohne jemals in die tiefen Hintergründe hinabzuspäen, aus denen solche großartigen Orgelprospekte hervorgegangen sind, wie die Orgel der Marienkirche in Lübeck (1492), Orgel im Mailänder Dom (1610), Orgel in Siena (1518) um nur ein paar Werke zu nennen. Noch düsterer stellt sich die Behandlung dar, welche den klanglichen Teil der  Orgel ausmacht: "es wurde nie ein gründliches Buch über Orgelmensuren geschrieben, weil der harmonikale und geometrische Aspekt dieser Sache völlig ignoriert wurde." Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass Klaus-Jürgen Sachs, in Mensura fistularum, die Mensuren des Mittelalters erschöpfend dargestellt hat. Die phytagoräischen Grundlagen werden von Sachs eindrucksvoll wiedergegeben.  (Klaus Jürgen Sachs, Mensura fistularum, Die Mensurierung der Orgelpfeifen im Mittelalter, Murrhardt 1980, siehe auch Nachträge)

Es gibt Orgelgestaltungen, die sagen uns den Klang, der sich hinter der Fassade verbirgt, und die sprechen in solch klarer Proportionierung zu uns, dass uns die zweifache Proportionierung der Orgel in Architektur und Klang doppelt angenehm in Erinnerung bleibt. Oft aber ist es nur eine Dimension, der Klang oder die Gestalt. Dass die Orgel zweigesichtig ist, und diese beiden Dimensionen ebenfalls in Proportion zueinander stehen können, dies ist ihr großes Geheimnis, und wir wollen mit unserer Arbeit  besonders auf dieses "klingende Bild" hinweisen.

Die Gründe, warum der heutige Orgelbauer sich nicht mehr an historischen Proportionen anlehnt sind nur schwer zu durchschauen. Einesteils möchte der Gestalter sich modern geben, das heißt „Originalität“ um jeden Preis produzieren, andererseits verschwendet er nicht eine Sekunde Zeit damit, seine Gegenwartsbezogenheit zu untermauern, indem er historische Wurzeln zur Diskussion freigibt. Dieses Paradoxon geht so weit, dass wir im modernistischsten Orgelwurf oft das platteste Dispositionsschemata vorfinden. Außerdem sind einfach grundlegende Proportionsgesetze dem Orgelbauer heutzutage unbekannt. Diesen Umstand habe ich auch bei mir selbst feststellen müssen, weswegen ich meine gesammelten Erfahrungen in einem komplexeren Artikel fassen und vorstellen möchte, was nicht Gegenstand dieser kürzen Erläuterung sein kann.

Maßlos, zahllos, gottlos....Begriffe, wie wir sie schnell auf unsere heutige Zeit übertragen, aber damit haben wir schon einen Zipfel der Wahrheit gefasst: es ist nur schwer vorstellbar, dass es eine Welt gibt, in der Harmonie, Maß, Zahl und Proportion herrschen, in der es aber keinen Gott geben soll. Proportion ist sehr klar vorstellbar, wenn wir Gott und den Menschen als sein Abbild erblicken. Der von Gott abgefallene Mensch fällt von der Proportion ab, er ist ohne Harmonie, er wird maßlos.

Aus diesem Grunde entstammen alle grundsätzlichen Proportionslehren aus Zeiten und Völkern die tief in einem Gottglauben verankert waren. Ignoriert man dieses übergeordnete Glaubens- oder Denksystem, und interessiert man sich nur für das rein technische Verfahren der Proportionserstellung, so gewinnt man keinerlei wesenhafte Idee[5].

Hier zunächst ein Geschichtsrückblick. Wie alles Wesentliche in unserer europäischen Kultur stammt auch das Wort harmonia aus dem Griechischen, es bedeutet, Anpassung, Verbindung, Verknüpfung, Vereinigung von verschiedenen oder entgegengesetzten Dingen zu einer geordneten Ganzheit. Mit diesem Wort können wir auch unsere Orgel umschreiben. Für Athanasius Kircher(1601-1680) [6] wird die Orgel zur „Harmonia Nascentis Mundi“, einem tiefgründigen Symbol, bei der Gott zum Orgelbauer und Organisten wird. (Abbildung Orgel-Weltenharmonie)

In der griechischen Mythologie ist Harmonia (Mythos der Harmonia siehe Nachträge) die Tochter des Zeus und Mutter der Musen. Als Beschützerin und Bewahrerin der Wissenschaften und Künste genießt sie so höchste Verehrung. In allen Mythen[7] erscheint Harmonia als aus Wesenverschiedenheiten erwachsen in Schönheit übergehend, aus Gegensätzlichem entstehend.

Auf diesem Mythos der Harmonia bauen die Phytagoräer ihre grundlegende Verbindung von Harmonie und Kosmos zu einem umfassenden Weltbild aus[8]. Phytagoras von Samos(ca.550v.Chr.)und seine Schule begründeten einen neuen Harmoniebegriff darin, indem dieser mathematisch fassbar gemacht wurde. Sie glaubten in den Zahlen, in der Mathematik seien alle Prinzipien des Seins festgelegt. Mit dem Urgrund der Welt drückt sich in der musikalischen Harmonie die metaphysische Ordnung aus[9].

Die beiden griechischen Philosophen Platon(427-347v.Chr.) und Aristoteles(384-322v.Chr.) erheben Harmonie zu einem Universalbegriff. Platon[10] übernimmt die phytagoräische Konzeption der Zahlenharmonie und baut sie weiter aus. In seinem letzten Werk, dem Timaios, beschreibt er die Schöpfung der Weltseele, die Gott nach den Idealzahlen bildet. Die Idealzahlen der berühmten „Timaios-Tonleiter“ entsprechen den musikalischen Konsonanzen, bilden eine absolute Harmonie[11]. Die Harmonie der Weltseele findet nach Platon ihr Abbild in der menschlichen Einzelseele, und dass der Mensch mit Sinn für Ordnung, Maß, Proportion und Harmonie ausgestattet ist, sei ein Zeichen seiner Verwandtschaft mit den Göttern[12]. Außer in der Timaios-Tonleiter nennt Platon im Dialog „Menon“ geometrische Formen, aus Dreiecken und Quadraten gebildete Körper[13].

Endlich kommt mit dem Römer Vitruv[14](1.Jh.v.Chr.), mit dessen Architekturtraktat uns das einzige Schriftstück der antiken Schönheitslehre erhalten bleibt, eine Person ans Licht, die unter hellenistischen Vorstellungen systematisch Proportion und Baukunst der Antike erläutert. Hier taucht erstmals der Begriff „Symmetrie[15]“ auf, der allerdings das rechte Maßverhältnis bezeichnet anstelle der uns bekannten „Spiegelbildlichkeit“. Eurhytmie, was sich von Rhythmos ableitet, kehrt ein, und wird später von Schiller mit „Anmut“ und „Würde“ übersetzt. Es gestaltet sich im Zuge der Aufklärung recht schwierig die erweiterten „Harmoniebegriffe“ angemessen zu übersetzen: „anständig, angemessen, geziemend etc.“ sind Beispiele dafür, wie man vom Griechischen ins Lateinische und dann später ins Deutsche Erscheinungen der Harmonie mit dem Wort darzustellen versuchte.

Wichtig ist, dass mit Vitruv ein Kompendium an antiker Schönheitslehre sich findet unter dem pythagoräisch-platonischen Leitgedanken einer objektiv-gesetzesmäßigen, auf Zahlen und Proportionen beruhenden und auch verstandesmäßig erfassbaren Schönheit. Diese objektive Schönheit triumphiert vor jedem Individualismus, der ein Kennzeichen unseres heutigen Zeitalters ist, wenn man diese beiden Zeitalter miteinander vergleicht.

An der Schwelle von der Antike zum Mittelalter wendet sich Plotin (205-270n.Chr.)gegen die Vorstellung „Schönheit sei Übereinstimmung von Teilen“, seiner Ästhetik nach sei Schönheit eine Qualität, deren Quelle Geist und Seele sei. Schönheit sei sinnlich erfahrbar.[16] Hier liegen die Wurzeln der späteren mittelalterlichen Mystik.

Auf der Plotinschen Emanationsvorstellung, welche die Ausstrahlung des absoluten Schönen auf die irdische Schönheit reduziert, und den nachfolgenden Gedanken und Erläuterungen vieler mittelalterlicher Denker[17] und Kirchenväter beruht hauptsächlich die Ästhetik des gesamten Mittelalters. Aus dem jüdischen Weisheitsbuch und dem Phytagoräismus entwickelt sich das mittelalterliche Weltbild, welches in dem Satz des liber sapientiae[18] gipfelt: „alles hast Du nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet.“ Wie Athanasius Kircher, der Gott als Orgelbauer und Organist sah, schildern die Platoniker der Kathedralschule von Chartres gegen Ende des 12. Jahrhunderts Gott als Baumeister, der die Welt im wesentlichen nach mathematischen Gesetzen schafft.

Der italienische Humanist, Baumeister und Universalgelehrte Leon Battista Alberti(1404-1472)[19] war der erste bedeutende Theoretiker der Renaissancearchitektur. Er entwarf Bauwerke in reinem Klassizismus, die auf planmässigen Studien der Architektur der klassischen Antike beruhten. Sein Gedanke zur Schönheit ist von Musik durchwoben: „Die Schönheit ist eine gewisse Übereinstimmung und ein Zusammenklang der Teile zu einem Ganzen gemäß einer bestimmten Zahl, Proportion und Ordnung, so wie es die concinnitas, d.h. das absolute und oberste Naturgesetz fordert“. … dass dieses Gesetz in der Musik und ihren Zahlenverhältnissen seine klarste Ausprägung erfahren habe.“[20]

 

gwm 28.x.2004

 

(Ende des I.Teils)

 

 



Fussnoten :

 

[1] in Hans Henny Jahnn, Fluß ohne Ufer, Eine Dokumentation in Bildern und Texten, Band 1 der Schriftenreihe der Hamburgischen Kulturstiftung Dölling und Galitz Verlag, Seite 284

 

[2] „Dem Zerschlagen der Harmonik durch Insekten gemäß, den mechanischen Ekstaseapparat aus dem Perrudja alludieren und so eine Entwicklungs-, die Verfall-Linie ist, aufzeigend, destruiert und entlarvt Jahnn im Februar-Kapitel die Harmonik endgültig durch eine Maschine.“ Seite 286. Als einen besonderen Witz sehe ich es, dass mir vor einigen Wochen ein Aufsatz über „Insektenverhalten“ gelang, mit der Absicht „schematisches Verhalten“ zu kritisieren, das der menschlichen Wärme entbehrt. Und hier habe ich auf eine bestimmte Art von Orgelsachverständigen gezielt, ohne jedoch zu wissen, dass sich Jahnn intensiv mit dieser Materie „Insekten“ auseinandergesetzt hat.

 

[3] OW an Dr. Hans Kayser, unveröffentlichter, Auszug:“ Ich habe mit Prof. Dr. Gurlitt in Freiburg(Breisgau, dem ich auch Ihre Adresse verdanke, schon eingehend über dieses Problem gesprochen. Er ist der Meinung, dass bei dem rein harmonikalen Fragen, auch die geschichtlichen und traditionellen Momente beim Entwerfen von Orgeldispositionen keinesfalls über Bord geworfen werden dürfen.

 

[4] Hans Kayser, Grundriss eines System der harmonikalen Wertformen, Seite 117

 

[5] Paul von Naredi-Rainer, Architektur und Harmonie, Seite 11 „Jede noch so scharfsinnige Entschlüsselung verschiedener im Laufe der Architekturgeschichte angewandter, of geheimnisumwitterter Entwurfs-und Proportionierungsverfahren muß vordergründig bleiben, wenn man diese Verfahren nur als technische Hilfsmittel betrachtet und ihren tieferen Sinn übersieht, die Idee einer höheren Ordnung und Harmonie auf die Architektur zu übertragen bzw. diese Idee in der Schönheit der Architektur Ausdruck zu verleihen.

 

[6] Athanasius Kirchner, Musurgia universalis, Rom, 1650 (von der wunderbaren Kraft der Wirkung der Konsonanzen und Dissonanzen) entwickelt Kircher die Vorstellung von Gott als Orgelbauer und Organist und parallelisiert das Sechs-Tagewerk der Schöpfung mit den sechs Registern einer Welt-Orgel. Wie Fludd teilt Kircher die verschiedenen Zonen von Himmel und Erde in Oktaven ein. Die Kunst des Organisten erschließt sich vor allem in der Zusammenstimmung der vier Elemente untereinander. MGG: Kircher war einer der großen Universalgelehrten seiner Zeit wie Mersenne, Fludd oder Kepler. Im Rahmen seiner naturwiss., hist. und geographischen Interessen ist die Musik nur ein Teilgebiet. Hier wie in anderen Gebieten suchte er das Wissen seiner Zeit zusammenzutragen. Sein musik. Hauptwerk ist die Musurgia Universalis.

 

[7] Hesion, Theogonie 937 (Pindar, Aischylos, Euripides, Apollodor, Diodor, Ovid etc.)

 

[8] Burkert, Walter, Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Phytagoras, Philolaos und Platon, Nürnberg 1962 und Haase, Rudolf, Geschichte des harmonikalen Phytagoreismus, Wien 1969 – Neue Forschungen über Phytagoras, in : Antaios 8/1967, 401-420

 

[9] Naredi-Rainer, Architektur, Seite 13“Entscheidend für den Ausbau der Phytagoräischen Zahlenlehre war die Entdeckung der wechselseitigen Entsprechung von Tönen und Zahlen. Schwingende Saiten erklingen in musikalischen Intervallen, wenn ihre Längen zueinander in einfachen Zahlenverhältnissen stehen: Beträgt das Verhältnis 1:2, hört man die Oktave, bei Verhältnis 2:3 eine Quinte, beim Verhältnis 2:4 eine Quarte etc. . Es ist anzunehmen, dass die allgemein der phytagoräischen Tradition zugeschriebene Entdeckung der Analogie von Tönen und Zahlen im Orient schon längst bekannt war. Entscheiden aber ist die Erklärung dieses Phänomens durch die Phytagoräer. (Frank 1923), (Burkert 1962), (Haase 1967)

 

[10] Ernst Sack, Platons Philosophie der Musik, liegt mir in einem konzeptionellen Aufsatz über 66 Seiten vor, und beschreibt alles Wesentliche Platons Musik betreffend.

 

[11] Meyer, Bonaventura OSB, APMONIA, Bedeutungsgeschichte des Wortes von Homer bis Aristoteles, Zürich 1932 „So bildet die Weltseele gleichsam das Substrat der Idealzahlen und umschließt als Harmonie (Oktave) alle Konsonanzen dieser Tonleiter. Sie ist die Harmonie katexochen und wird damit zum Inbegriff der Platonischen Harmonie nach den verschiedensten Gesichtpunkten: etymologische Harmonie als Idealzahl, musikalische Harmonie als Oktavenkonsonanz, musikalische Harmonie im eigentlichen Sinn von Tonleiter (Inbegriff der musikalischen Intervalle in der absoluten Tonleiter)“

 

[12] Platon, Nomoi

[13] Platon, Timaios  und Platon, Menon

[14] Vitruvii de architectura libri decem

[15] Vitruv I/2,4(1964,29)“Symmetria… ist der sich aus den Gliedern des Bauwerks selbst ergebende Einklang und die auf einem berechneten Teil(modulus) beruhende Wechselbeziehung der einzelnen Teile für sich gesondert zu Gestalt des Bauwerks als Ganzem.“

[16] Plotin, Enneaden

[17] Pseudo-Dionysius, De divinis nominibus.  Augustinus(354-430),De ordine. Thomas von Aquin(1224-1274). Bonaventura(1217-1274)

[18] liber sapentiae 11,21: „Omnia in mensura et numero et pondere disposuisti.“

[19] L.B.Alberti, de re aedificatoria libri decem

[20] Wittkower, Rudolf: Grundlagen der Architektur im Zeitalter des Humanismus, München 1969

 

 

Nachträge

Klaus Jürgen Sachs, Mensura fistularum. Band 2, Seite 120: Schon die Akusmata, der älteste (seit um 400 v.Chr. greifbare) Niederschlag pythagoreischer Lehre in Form von Leitsätzen und Sprüchen (Burkert), enthalten "jene Formel, die als Inbegriff pythagoräischer Weisheit galt: die Tetraktys"; sie wird mit dem Delphischen Orakel in Verbindung gebracht und umschrieben als "Harmonie, in der die Sirenen singen". (nach Kayser "die Harmonie, bevor die Engel sangen", der es von Dante ableitet, mit dem ausgesagt werden soll, "die Gesetze der Musik sind ewig"[gwm]) Wie die Folgezeit enthüllte(..ich meine, wie die Harmoniker von Thimus, Kayser und Haase enthüllten [gwm]), verbarg sich hinter dem Geheimnis der Tetraktys die "Vierheit" der Zahlen 1-2-3-4. Mannigfache Beziehungen und Bedeutungen verliehen ihr Sinnfülle: der Symbolgehalt der Vier, die Folge einfachster Zahlen, das "Ungerade" und das "Gerade" vereinigend, die figürliche Abbildbarkeit im "vollkommenen Dreieck", die Summe Zehn als Chiffre für die gesamte Natur der Zahlen, nicht zuletzt die in Reihe enthaltenen Intervallverhältnisse von Oktave(2:1), Quinte(3:2) udn Quarte(4:3). Dass im Pythagoreerkreise der Eid geleistet wurde bei Pythagoras (i h m, denn man nannte nicht seinen Namen [gwm]) als demjenigen, "der unserem Geschlecht die Tetraktys überbrachte", zeigt ihre Dignitität.

Sachs, Band 2 Seite 122 geht weiter auf die musikalische Variante der Tetraktys ein, die in den "Harmonikalen Studien" von Theo Reiser, Das Geheimnis der Pythagoräischen Tetraktys, Verlag Lambert Schneider, 1967 und Julius Schwabe im Symbolon, Jahrbuch für Symbolforschung ausführlich behandelt wird. Grundlage hierfür war die Entdeckung Hans Kaysers, dass die pythagoräische Tetraktys in Raffaels "Schule von Athen" in einer gemalten Tafel enthalten ist, die eine Person dem Philosophen Pythagoras vorhält. Erst später entdeckt Schwabe, dass bereits der Kunstschriftsteller Anton Springer im Jahre 1883 diese Tafel fand und veröffentlichte, ohne allerdings genau zu wissen, um was es sich hier handelt. Kayser glaubte in der Raffaelschen Tetraktys die "esoterische" Variante gefunden zu haben, während er das pyth. Dreieck als exoterisch "für die Dummen" benannte, das ihn nicht weiter interessierte.  In meinen weiteren Nachforschungen fand ich zufällig heraus, dass bereits William Oughtred in seinem Werk "Key of Mathematics" erschienen 1701, eine exakte, aber spiegelbildliche Kopie und damit verdrehte musikalische Variante der Tetraktys darstellt. Oughtred nennt die Autoren "antike Schreiber" und es sind auch Fehler in der Darstellung der Intervalle enthalten, ohne sie als solche zu benennen und auch ohne das "vollkommene Dreieck" zu erwähnen. Sicher ist, dass Oughtred andere Quellen besaß, was den Eindruck bestätigen könnte, dass diese Tetraktys ein gängiges Symbol im Mittelalter bis zur Renaissance war. Der interessante Aspekt bei Sachs ist, dass er all die mathematischen Reihen, welche durch die Tetraktys dargestellt werden können, ausgiebig erläutert. Die Darstellung der Tetraktys und ihre Verwendungsmöglichkeit im Orgelbau sowie das aus dem Tetraktys sich ableitende Lambdoma soll an späterer Stelle gründlich untersucht werden. [gwm]

Abbildung der Raffaelschen Tetraktys

 

Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie, Quellen und Deutung, rororo 1994, beschreibt auf Seite 177 den Mythos "Kadmos und Harmonia".Nachdem Kadmos in die Mysterien, die Zeus Iasion gelehrt hatte, eingeführt war, heiratete er Harmonia, die Tochter der Aphrodite. Dies war die erste Hochzeit eines Sterblichen, an dem die Olympier teilnahmen. Aphrodite schenkte Harmonia das berühmte goldene Halsband, das seinem Träger unwiderstehliche Schönheit verlieh, dazu einen Satz Flöten. Hermes schenkt ihr eine Leier. Die Mutter Iasions lehrte sie die Riten der Großen Göttin. Dionysos prophezeit Kadmos und Harmonia das Herrschertum über die Barbaren.