Neues aus Kairo

News from Cairo

Cairo, Schwellwerk, im Vordergund die 3-4-5-3fache Mixtur, dahinter das überblasende Flageolet 2', dahinter Traversflöte 4', und noch sichtbar die Viol d Gamba 8'

Neues von der Walcker-Orgel in Kairo
Als der griechische Gelehrte Ktesibios um 246 vor Christus in Alexandria, also keine zwei Autostunden von Kairo entfernt, die erste Pfeifenorgel konstruierte, konnte er noch nicht wissen, dass solche auf Windkästen befestigten Panflöten einmal die Kirchenmusik des Abendlandes entscheidend prägen werden.
Die Orgel ist also ein Musikinstrument, das aus der Antike stammt, und das in dieser Zeit großen Einfluss auf die damalige Musik- und Musiktheorie ausübte, aber eben bei den Griechen und später bei den Römern vor allem im weltlichen Musizieren angetroffen werden konnte. So war ein berühmter Orgelspieler Kaiser Nero, der ohnehin nie den Eindruck gemacht hat, besonders sakral oder gar christenfreundlich eingestellt zu sein. Und in der Tat wurden Orgeln bei Spielen in Kolosseen verwendet, wo Christen den Märtyrertod fanden.
Die damaligen Orgeln waren sehr klein und hatten nur rund 13 x 3 Pfeifen und sie konnten leicht transportiert werden.
Bei der hier in der Deutschen Evangelischen Kirche gebauten Walcker-Orgel in Kairo treffen diese antiken Beschränkungen nicht mehr zu. Ja, der antike Mensch würde sich sehr über solch einen technischen Apparat wundern. Eine solch große Panflöte mit 1226 Pfeifen, die mit einem Druck von 96mm Wassersäule angeblasen werden würde, das wäre zu ihrer Zeit auch ohne Elektrizität nicht mehr zu schaffen gewesen.
Mein Ur-Ur-Ur-Großvater Eberhard Friedrich Walcker hat um 1856 die damals weltgrößte Orgel im Ulmer Münster gebaut, die von 12 Kalkanten (Windtretern) bedient wurde, aber erst vier Jahre später konnte mit Hilfe eines Dampfgebläses der erforderliche Druck von über 100mm Wassersäule für das Pedal geschafft werden, das dieser Riesenorgel den nötigen Baß gab.
Zurück in Ägypten, wo wir an unserer Walcker-Orgel genügend damit zu tun hatten, das fehlende Pfeifenmaterial in halb Deutschland zusammen zu suchen, um nicht gänzlich mit den Kosten von Neuanfertigungen verschiedener Pfeifen malträtiert zu werden, so sind uns doch immer wieder ein paar Pfeifen nicht auf die Schnelle zugängig gewesen. Da half mir ein des Ktesibios geistesverwandter, vielleicht auch antiker Ägypter, der seines Zeichens Schreiner war und sich rasch bereit erklärte auch solche Lappalien, wie Holzpfeifen anfertigen zu können.
Wir haben das gerne ausprobiert und gleich fünf solcher Pfeifen bei ihm bestellt; denn eine erneute Bestellung und Lieferung aus Deutschland, hätte nicht nur den Etat gesprengt sondern auch die Zeit ins Unermessliche gezogen. Und, wie waren wir erfreut, als die erste ägyptische Pfeife in der deutschen Walcker-Orgel erklang: ein voller, ungetrübter Bordunton, grundvoll, rund und schön. Diese Holzpfeifen haben sich auch vom Äußeren ästhetisch in den Reigen des bestehenden Pfeifenmaterials eingereiht. Jetzt also noch warten wir auf die nächsten 5 Gedacktpfeifen fürs Schwellwerk und eine größere Pfeife der tiefen Oktave im Bordun des Hauptwerk. Damit ist dann unser Pfeifenmaterial komplett.
In den vergangen zwei Monaten konnten wir auf diese oder ähnliche Methode, aber eben im Heimatland, weiteres Pfeifenmaterial gewinnen, das für unsere Orgel von großer Bedeutung war. So fehlten vor allem die tiefen Basspfeifen des Pedals und des Borduns im Hauptwerk. Ohne das Internet und die Möglichkeit dort zu recherchieren, wäre es nicht möglich gewesen, das fehlende Pfeifenmaterial zu organisieren. Mit insgesamt 1,7t Material aus Deutschland und Frachtrechnungen von über 4.500,-- Euro haben wir ameisengleich, all das notwendige Pfeifenmaterial zusammengetragen, was auf dem freien Markt erhältlich war. Dazu kommt eine komplette elektrische Anlage zur Steuerung der Pfeifenorgel. Darunter sind 450 Stück Hebelmagnete, die allesamt mit dem Spieltisch verkabelt sind, eine komplette Steuerungsmaschine, das Gehirn der Orgel gewissermaßen, das im Spieltisch untergebracht ist und das mit 2800 Kontakten bestückt ist, die wiederum alle miteinander verkabelt sind und von den beiden Manualen und dem Pedal sowie den Registertasten gesteuert werden. Insgesamt wurden so mehrere tausend Meter Einzelkabel verlegt, die, und darauf sind wir auch stolz drauf, kaum im Orgelinneren bemerkt werden.
Als Orgelbauer ist man hier gleichzeitig Elektriker, Schreiner, Schlosser, planerischer Architekt und nicht zuletzt Intonateur, der den Pfeifen seinen Odem einhaucht. Diese Klanggestaltung, die eigentlich immer am Schluß kommt, musste hier aus verschiedenen Gründen zwischendurch geschehen und hat uns alle hier sehr viel Freude gemacht, weil diese Orgel eben etwas ganz außergewöhnlich Schönklingendes ist, was wir in Deutschland kaum so unverdorben antreffen.
Jetzt stehen noch einige Arbeiten im Bereich der elektrischen Schaltungen an, etwas Tischlerei, etwas Schlossern und der Einbau des Fernwerks auf dem Dach der Orgel.
Die finale Klanggebung und Stimmung der Orgel ist vergleichbar Monets Aussage: „das Malen von Seerosen, das ist keine Arbeit, es ist reine Entspannung!“, das sollte, so hoffe ich, unser Abschluss im April werden.
gerhard@walcker.com